Zentrale Projektergebnisse VISE „Smart Metering in KMU“

Veröffentlicht von Lukas Hilger am

Intelligente Messsysteme sind ein zentraler Baustein eines smarten Energiesystems. Sie können Effizienzpotenziale sichtbar machen, perspektivisch in ein flexibles Steuerungsmanagement einbezogen werden und dadurch die volatile Einspeisung Erneuerbarer Energien komplementieren. Der gegenwärtige Rollout bot nun erstmals die Möglichkeit, KMU in Nordrhein-Westfalen von der Installation intelligenter Messsysteme über den Betrieb hinweg wissenschaftlich zu begleiten. 

Im Forschungsprojekt “Smart Metering in KMU” wurde untersucht, inwiefern kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in NRW vom Smart-Meter-Rollout profitieren können. Zentraler Bestandteil des Forschungsprojekts waren Anwendungstests mit KMU in NRW, bei denen die Unternehmen Smart Meter, Zugang zu Energiemanagement-Software sowie individualisierte Analysen und Feedbacks zu ihren Energieverbräuchen erhalten haben. Interviews mit den Unternehmer:innen zeigen ihre Bedarfe auf und welche Mehrwerte individualisierte Feedbacks für sie haben. Weitere Bausteine des Forschungsprojekts umfassten unter anderem Effizienzanalysen mit mobiler Messtechnik, die mit ausgewählten KMU getestet wurden, verschiedene Schulungsvideos speziell für KMU, eine quantitative Befragung von KMU in NRW und explorative KI-Analysen von KMU-Lastgangdaten. Gefördert wurde das Projekt durch das Land NRW im Rahmen des Programms „progress.NRW – Innovation“.

Im Folgenden wird auf die zentralen Ergebnisse des Anwendungstests sowie der Effizienzanalysen mit mobiler Messtechnik eingegangen.

Smart Meter Anwendungstest in KMU

Mit der Umsetzung eines Smart Meter Anwendungstests in KMU im Zeitraum 2023-2025 konnte der zentrale Projektbaustein gemeinsam mit Praxispartnern realisiert werden. Der Anwendungstest lieferte praxisnahe Einblicke zum Nutzen intelligenter Messsysteme im Anwendungsfeld von KMU. Die zentralen Ergebnisse sowie wichtige Aspekte zum Aufbau und zur Umsetzung des Anwendungstests werden nachfolgend aufgeführt.

Aufbau

Der Anwendungstest wurde in Zusammenarbeit mit der Dortmunder Energie- und Wasserversorgung GmbH (DEW21) als Praxispartner umgesetzt. Der Aufbau des Anwendungstests orientierte sich zeitlich an drei Projektphasen, wie in der folgenden Abbildung dargestellt (s. Abbildung 1).

Abbildung 1: Aufbau des Anwendungstests und Einteilung in Projektphasen

Den einzelnen Projektphasen waren jeweils zentrale Arbeiten zugeordnet:

Implementationsphase:

  • Akquise und Einbindung von KMU in Kooperation mit der DEW21 als Praxispartner
  • Onboarding der KMU: Implementierung der Software (EnergieCockpit, Projektpartner GreenPocket GmbH) und erstes Interview zu Einstellungen der Unternehmer:innen und Erhebung allgemeiner Betriebsdaten

Monitoringphase:

  • Kontinuierliches Monitoring der Smart-Meter-Daten
  • Entwicklung von Smart-Meter-Datenanalysen und Feedbacks
  • Bereitstellung der Feedbacks über EnergieCockpit

Transferphase:

  • Finale Auswertung der Smart-Meter-Daten (2023 und 2024)
  • Abschließendes qualitatives Interview (Reflexion Nutzen und Mehrwert)
  • Verschriftlichung und Veröffentlichung der Projektoutputs
Umsetzung

Die Kundenakquise wurde durch die DEW21 im Zeitraum August 2023 bis Februar 2024 durchgeführt. Die intelligenten Messsysteme wurden bereits im Jahr 2023 durch den grundzuständigen Messstellenbetreiber (DONETZ) installiert. Intelligente Messsysteme setzen sich aus einer modernen Messeinrichtung (digitaler Stromzähler) und einer Kommunikationseinheit (Smart-Meter-Gateway) zusammen. Zukünftig wird auch die Anbindung einer Steuerbox möglich sein, um steuerbare Verbrauchseinrichtungen wie Wärmepumpen oder Ladestationen gezielt anzusteuern. Zur Veranschaulichung wurde im Zuge des Projektes eine Smart Meter-Demotafel gebaut und auf Veranstaltungen wie der VISE-Jahreskonferenz ausgestellt (s. Abbildung 2).

Abbildung 2: Smart-Meter-Demotafel

In den Anwendungstest konnten insgesamt 20 KMU eingebunden werden. Entsprechend der heterogenen Struktur von KMU waren in der Auswahl verschiedene Wirtschaftszweige vertreten, darunter Gastronomie, Handwerk, Freizeitbranche sowie Dienstleistungen. In der abschließenden Transformationsphase konnten die Smart-Meter-Daten von 17 KMU ausgewertet werden. Zur Veranschaulichung der Unternehmensgrößen sind die Jahresstromverbräuche der eingebundenen KMU (Zweijahres-Mittel) in der folgenden Abbildung dargestellt.

Abbildung 3: Jahresstromverbrauch der im Anwenudngstest eingebundenen KMU

Zentrales Element zur Informationsbereitstellung der KMU im Anwendungstests waren neu entwickelte Feedbacks, die auf Stromverbrauchsdaten (Smart-Meter-Daten) basieren. Diese Feedbacks wurden auf dem Dashboard des EnergieCockpit integriert, damit es Unternehmer:innen möglich war, auf wesentliche Informationen zu ihrem Stromverbrauch in leicht verständlicher Form zuzugreifen. Die folgende Abbildung stellt die Inhalte auf dem Dashboard des EnergieCockpit beispielhaft dar (s. Abbildung 4). Als zentrale Informationskomponente ist das Feedback (Fenster oben rechts) immer mit einer zugehörigen, individuellen Visualisierung der Stromkosten bzw. Stromverbräuche verknüpft.

Abbildung 4: Beispielhafte Darstellung der Inhalte auf dem Dashboard des EnergieCockpit

Da davon auszugehen ist, dass sich Unternehmer:innen in KMU im o.g. Kundensegment nicht tagtäglich mit Energiethemen beschäftigen, wurden Stromkosten kommuniziert (bspw. in der Informationsbereitstellung im Rahmen von Feedbacks). Weiterhin bedarf es übergreifend anwendbarer Datenanalysen, die eine kennzahlenbasierte Auswertung der Smart-Meter-Daten möglich machen. Hierzu wurden diverse Datenanalysen entwickelt, die zur Umsetzung der Feedbacks benötigt wurden: 

  • Einteilung der 15min-Lastgangdaten in ein Ruhezeit- und Betriebszeitfenster
  • Kennzahlen zur Beurteilung der Grundlast sowie der Lastspitzen
  • Kennzahlen zur Beurteilung der saisonalen Unterschiede im Stromverbrauch
  • Streugrafiken zur visuellen Beurteilung der Lastgang-Charakteristik

Die grundlegende Herangehensweise an die Datenanalyse kann in der Dissertation “Einsatz mobiler Messtechnik und Entwicklung automatisierter Auswertemethoden für elektrische Energieflüsse im gewerblichen Bereich” (Hilger, 2024) detailliert nachvollzogen werden. 

Ergebnisse

Trotz unterschiedlicher Energieverbräuche und Lastgänge können branchenübergreifende Analysen Verbrauchs- und Kostenreduktionspotenziale in KMU aufzeigen. Die nachfolgende Grafik fasst die zentralen Analysen zusammen (s. Abbildung 5):

Abbildung 5: Zentrale Analysen für KMU basierend auf Smart-Meter-Daten

Die übergeordneten Ergebnisse aus dem Anwendungstest sind im Folgenden stichpunktartig anhand zentraler Erkenntnisse aufgeführt: 

Ohne spezifische KMU-Angebote werden die Potenziale des Rollouts nicht realisiert

  • Ein Großteil der KMU verfügt nicht über zeitliche Ressourcen und fachliche Kompetenzen, um selbstständig Lastganganalysen durchzuführen
  • Daher müssen skalierbare und automatisierte Lösungen entwickelt werden, die den spezifischen Bedarfen von KMU entsprechen
  • Relevante Informationen müssen dabei einfach, verständlich und zielgerichtet aufbereitet werden
  • Benutzeroberflächen von Softwarelösungen müssen auch im Unternehmensbereich stärker auf nicht-professionelle Nutzer:innen ausgerichtet werden

Die Potenziale sind so unterschiedlich wie die Unternehmen divers

  • Branchenübergreifend anwendbare Datenanalysen und Feedbacks können auf Potenziale aufmerksam machen und Grundlage für Verbrauchs- und Kostenreduktionen in KMU sein
  • Unternehmer:innen unterscheiden sich, inwiefern für sie das Thema wichtig ist und auf welches Vorwissen sie zurückgreifen können
  • Softwarelösungen wie das EnergieCockpit sollten als Instrument zur verbesserten Kundenbindung (Potenziale zur Umsetzung aufbauender Energiedienstleistungen) gesehen werden

Submetering und Effizienzanalysen in KMU mit mobiler Messtechnik

Neben der Analyse der Smart-Meter-Daten standen im Anwendungstest zusätzlich Effizienzanalysen mit mobiler Messtechnik im Fokus. Im Gegensatz zu den Smart-Meter-Daten, die in der Regel lediglich den Gesamtstromverbrauch eines Unternehmens erfassen, wird mobile Messtechnik an einzelnen Verbrauchersträngen und elektrische Verbrauchern installiert, um zusätzliche Transparenz über die Energie- und Lastflüsse zu schaffen (vgl. Abbildung 6). 

Abbildung 6: Vergleich Smart Meter und mobile Messtechnik
Case Studies

Für die Effizienzanalysen mit mobiler Messtechnik wurden zwei recht unterschiedliche Unternehmen ausgewählt (s. Abbildung 7). Ziel war es, die Mehrwerte des Einsatzes mobiler Messtechnik gegenüber der Analyse der Smart-Meter-Daten herauszuarbeiten. Weiterhin sollten wertvolle Praxiserfahrungen zur Weiterentwicklung der Methodik für zukünftige Messkampagnen gesammelt werden. 

In beiden Untersuchungsobjekten konnten mit den Analysemethoden (Smart-Meter-Daten und mobile Messdaten) jeweils diverse Ansatzpunkte für weiterführende Detailanalysen identifiziert werden. Damit war es auch möglich, den Mehrwert der Effizienzanalyse mit mobiler Messtechnik sichtbar zu machen und zu bewerten.

Abbildung 7: Ausgewählte Betriebe für Effizienzanalysen mit mobiler Messtechnik

Die Messungen lieferten unter anderem neue Erkenntnisse und detaillierte Informationen über die Verbrauchsstruktur und einzelne elektrische Verbraucher. Eine nahezu vollständige Aufschlüsselung des Stromverbrauchs wurde im Gerüstbau-Betrieb erreicht. Somit konnten große Messpunkte und elektrische Verbraucher mit auffälligem Verhalten lokalisiert und eingegrenzt werden. Insbesondere Grundlast-Verbraucher wie Server, Heiz- und Kühlgeräte und Maschinen konnten identifiziert und einzelnen Messpunkten zugeordnet werden. Abbildung 8 zeigt beispielhaft die Aufschlüsselung des Stromverbrauchs auf die erfassten Messpunkte:

Abbildung 8: Beispiel für die Verbrauchsdisaggregation auf Grundlage der Effizienzanalyse mit mobiler Messtechnik
Lessons Learned

Angesichts des zusätzlichen Zeitaufwands für die Effizienzanalyse ist es empfehlenswert, zunächst den Fokus auf die Analyse der Smart-Meter-Daten zu legen. Erst im Anschluss daran sollte entschieden werden, ob und in welchem Umfang eine Effizienzanalyse mit mobiler Messtechnik zielführend und verhältnismäßig ist. Dies kann insbesondere anhand der Komplexität des Untersuchungsobjektes und der Gegebenheiten vor Ort in Bezug auf die Durchführbarkeit mobiler Strommessungen entschieden werden.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass bei Unternehmen mit höherem Stromverbrauch und einer komplexeren Verbrauchsstruktur von einem signifikanten Mehrwert der Effizienzanalyse mit mobiler Messtechnik ausgegangen werden kann. Bei kleineren Unternehmen mit einer verhältnismäßig überschaubaren Verbrauchsstruktur müssen Aufwand und Nutzen für den Einsatz mobiler Messtechnik stärker abgewogen werden. Die Entscheidung zur Durchführung einer Messung ist dabei immer von individuellen Faktoren abhängig. Eine allgemeingültige Aussage, bei welchen Unternehmen eine Effizienzanalyse mit mobiler Messtechnik durchgeführt werden sollte, ist daher nicht möglich. 

Sowohl die Smart-Meter-Datenanalyse als auch die Analyse der mobilen Messdaten bieten zukünftig das Potenzial einer stärker automatisierten Auswertung. Insbesondere durch den Einbezug umfassender Informationen aus dem Betrieb und Erfahrungswerten aus vergleichbaren Untersuchungsobjekten bzw. der Branche (bspw. bezogen auf typische elektrische Verbraucher und Verbrauchsstrukturen) könnten die Analysen an Aussagekraft gewinnen.  

Die Ergebnisse der beiden Case Studies haben allerdings auch verdeutlicht, dass bei mobilen Messkampagnen Herausforderungen für eine umfassende und präzise Datenerhebung bestehen können:

  • Bei einer einspeisenden PV-Anlage auf eine Sammelschiene sind zusätzliche Daten bspw. zur Netzeinspeisung, Erzeugung und Netzbezug notwendig, um Verbrauch und Erzeugung plausibel aufzuschlüsseln.
  • Für die Untersuchung von Auffälligkeiten wie bspw. einer saisonal schwankenden Grundlast ist der Messzeitraum entscheidend. Dieser muss in dem Zeitraum liegen, wo auch Ineffizienzen (z.B. eine hohe Grundlast) identifiziert worden sind. Deswegen sollten nach Möglichkeit zunächst Smart-Meter-Daten analysiert werden, um anschließend relevante Zeiträume für mobile Messkampagnen zu identifizieren. 
  • Werden seitens der Unternehmen nur wenige Informationen bereitgestellt, sind die Möglichkeiten zur Auswertung der Messdaten grundsätzlich eingeschränkt. Umso wichtiger ist eine gute Vorbereitung und Struktur der Erstbegehung durch konkrete Angaben, welche Informationen für die Analysen benötigt werden. 
  • Geringer Dokumentationsgrad: Liegen zu elektrischen Verteilungen keine oder nur sehr rudimentäre Informationen vor, können elektrische Verbraucher nur schwer einzelnen Messpunkten zugeordnet werden. Bei Erstbegehungen muss der Fokus insbesondere auf Informationen zur Aufschlüsselung der elektrischen Versorgung liegen.
  • Örtliche Gegebenheiten und der Zustand/Aufbau der Elektroinstallationen kann die Installation der Messtechnik einschränken. Messsysteme mit kleineren Sensoren (kompakte Kabelumbau-Stromwandler) bieten hier mehr Flexibilität.

Viele der aufgetretenen Faktoren, die die Analysen in den Unternehmen erschwert haben, sind unabhängig vom verfügbaren Messequipment und der angewendeten Methodik. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Faktoren grundsätzlich in KMU auftreten können und somit bei Effizienzanalysen mit mobiler Messtechnik einkalkuliert werden müssen. 

Zusammengefasst sollte hinsichtlich des übergeordneten Ziels der Steigerung der Energieeffizienz von KMU der Fokus auf die Entwicklung möglichst effizienter Vorgehensweisen gelegt werden, die alle Methoden der Verbrauchsanalyse einbeziehen und zielgerichtet miteinander verknüpfen. In der Praxis auftretende, vielfältige Strukturen und damit verbundene Herausforderungen müssen dabei berücksichtigt werden. Dementsprechend braucht es eine flexible Vorgehensweise mit aufeinander aufbauenden Schritten, wie einer Fernanalyse, gefolgt von einer Vor-Ort-Begehung, die sich aus identifizierten Auffälligkeiten der Smart-Meter-Datenanalyse ergibt. Die Entscheidung für oder gegen eine Effizienzanalyse mit mobiler Messtechnik sollte dabei in die Methodik integriert werden und könnte bei einer ausreichenden Erfahrungsbasis auch standardisiert und kriterienbasiert getroffen werden. 

Um bei KMU eine schnelle, unkomplizierte und kostengünstige Effizienzanalyse zu ermöglichen, sollte mit den verfügbaren Analysemethoden ein ideales Verhältnis von Aufwand zu realen Effizienzsteigerungen angestrebt werden.

Weitere Veröffentlichungen und Publikationen im Projekt

Zu den Ergebnissen des Anwendungstests sind aktuell mehrere wissenschaftliche Publikationen geplant. Über den News-Verteiler des Virtuellen Instituts Smart Energy bleiben Sie zur Veröffentlichung dieser Publikationen auf dem Laufenden. 

Die bisherigen Veröffentlichungen und Publikationen sind nachfolgend zusammenfassend aufgeführt:

Kategorien: Publikationen